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Weil es doch schön sein kann...

 
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Robin
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Hier seit: 17.11.2002
Beiträge: 247

BeitragVerfasst am: Mi, 07 Apr 2004, 5:16    Titel: Weil es doch schön sein kann... Antworten mit Zitat

Weil es doch schön sein kann...


Wer kennt es nicht, die Wettermeldung: "D" und "M", teilweise in Gebirgslagen "X". Dabei werden noch Bodenwinde von 15 – 25 Knoten vorhergesagt, Böen bis 35 Knoten und in bestimmten Bereichen von Deutschland Sturmwarnungen. Dabei teilweise CB Bewölkung mit Gewittern.

Ist bei solchen Wetterlagen überhaupt noch ein sicherer VFR Flug möglich? Wie verhalte ich mich, wenn ich in solch eine Wettersituation komme? Was erwartet mich im Flug, wenn ich überraschend mit solch einer Wettersituation konfrontiert werde?

Genau diese Fragen habe ich mir selbst gestellt, denn wie viele, habe ich natürlich nur Wetterlagen ausgesucht, die ich mir persönlich zum Fliegen zutraue.

Also habe ich meinen Freund angerufen, mit dem ich einen Flug geplant hatte und teilte ihm mit: "Hi, hast Du mal das Wetter begutachtet? Das sieht nicht sehr besonders einladend aus und ich denke, wir bleiben lieber am Boden." Zu meiner Überraschung war er aber von meinen Ausführungen überhaupt nicht beeindruckt und meinte nur: "Nein, wir fliegen an diesem Tag und wir treffen uns morgen wie verabredet."

So treffen wir uns am 5. April auf dem Flugplatzgelände. Der Wind pfeift, der Regen plätschert auf die Piste und abwechselnd scheint auch einmal kurz die Sonne zwischen dem wolkenverhangen Himmel hindurch. Und an diesem Tag will mein "Kumpel" mit mir fliegen gehen?

Dazu muss ich sagen, dass mein lieber Freund sehr erfahren im Luftverkehr ist und selbst als verantwortlicher Pilot eine Boeing 747 tagtäglich fliegt, natürlich auch Fluglehrer ist und ich mich immer wieder freue, wenn wir gemeinsam in die Lüfte gehen und ich noch so einiges von ihm lernen kann. Und am heutigen Tag ist er der Meinung: "Wir fliegen einfach mal bei wirklich sehr schlechtem Wetter und im Grenzbereich."

Wir beide haben viele Interessen gemeinsam. Er gibt mir hilfreiche und weitere Tipps beim Fliegen und ich gebe ihm weitere Tipps beim Motorradfahren, wenn wir gemeinsam auf Tour gehen. So haben wir das einfach vereinbart. Denn er fliegt schon seit seinem 16. Lebensjahr, mit dem ich wesentlich später begonnen habe, dafür fahre ich halt seit meinem 16. Lebensjahr Motorrad, was er wiederum wesentlich später begonnen hatte.

Im Grunde sind wir ein sehr witziges und nettes Team, was dabei Spaß hat, gemeinsam etwas zu erleben und sich gegenseitig unterstützt und hilft und vor allem kein Problem damit hat, vom anderen etwas zu lernen.

Also steigen wir gemeinsam in das Flugzeug um den geplanten Flug durchzuführen. Es regnet zwar immer noch aber der Regen lässt etwas nach, weil sich die Wolke scheinbar entschieden hat, nun endlich über unser Flugplatzgelände zu ziehen.

Nachdem ich mich bei "Info" gemeldet habe, ist der Flugleiter sehr überrascht, dass wir einen Flug durchführen möchten und unterrichtet uns über die Sturmwarnmeldung für unseren Bereich.

Am Rollhalt angekommen, führen wir die letzten Checks durch und bekommen von "Info" die Windansage. Wir haben tatsächlich einen Crosswind von 19 Knoten auf der "Bahn", in Böen bis 25 Knoten. Ich sage in diesem Moment nur zu meinem guten Freund mit lachen: "Ziemlich heavy, Du bist verantwortlicher Flugzeugfüher und ich dein Copilot!" und lache dabei. Er stimmt dieser Vereinbarung zu und teil mir mit, dass er in das Fluggeschehen eingreifen wird, wenn er der Meinung ist, dass es erforderlich sein sollte. Abgemacht!

Nach kurzem Check, Leistungshebel auf Vollgas und Start. Dabei bin ich selbst sichtlich überrascht, wie mir der Start problemlos gelingt und wir uns auch schon in der Luft befinden.

Der Regen hat sich zwischenzeitlich in unserer Region eingestellt, entscheide mich aber dann noch, die Positionslampen einzuschalten, weil um uns die Wolken zwischen 500 – 1000 Fuss Bezugspunkt zu sichten sind und immer wieder Regengebiete auftauchen. In bestimmten Blickrichtungen ist der Horizont nicht mehr in Sicht und nur noch eine dunkle Regen- bzw. eine Wolkenwand zu sehen.

Meine geplante Flugroute und Navigationspunkte werfe ich auch schnell beiseite, weil ich sofort erkenne, das dieser geplante Flug sicherlich nicht so nicht durchführbar sein wird. So bleibt mir nur noch, navigieren nach aktuellem Stand der Dinge.
So fliegen wir beide zwischen den Regen- und Unwettergebieten hindurch. Der Regen prasselt auf die Windschutzscheibe, die Sichten gehen teilweise dramatisch zurück. In diesem Moment sage ich nur zu meinem Freund: "Wenn dort jemand jetzt aus der Wolke geflogen kommt, dann gute Nacht, da haben wir kaum noch Möglichkeit zu reagieren". Als Antwort bekomme ich nur von ihm zu hören: "Wer in diese Wolkenformation geflogen ist, ist mit Sicherheit schon senkrecht Richtung Boden gefallen, also da kommt mit Sicherheit keiner mehr rausgeflogen. Nicht mal Flugzeuge mit Enteisung und entsprechender Leistung, dürften da problemlos durchkommen. Und Lotsen schicken IFR Piloten in solche Wettersituationen erst überhaupt nicht rein. Solche Wettererscheinungen müssen auf jeden Fall umflogen werden."

Ich schaue mir dieses mächtige Wolkengebilde an, sehe dahinter keinen Horizont und bemerke, wie ich von dieser natürlichen Gewalt beeindruckt bin. So fliegen wir zwischen diesen Wolkengebilden durch, umkreisen diese und dabei lerne ich. Nehme hilfreiche Tipps entgegen und genieße diesen Flug. Und wenn in alle Richtungen kein Ausweg mehr besteht, also eine Art "Schach-Matt" besteht, aufgrund der Wetterlage, dann hilft nur eins: Sicherheitslandung und sich eine geeignete Landefläche suchen.

Wir sind im Slalom durch die Gegend geflogen, haben dabei sehr ruhige und überraschende turbulenzfreie Zonen durchflogen. Regenbogen gesehen, beeindruckende Wolkenformationen, Regenfelder, tiefliegende Wolken die gross und mächtig und dann wieder klein und unscheinbar aussahen. Eine wirklich sehr beeindruckende Umgebung, die sehr nachhaltig wirkt.

Es muss einfach der richtige Weg gefunden werden um sicher zu fliegen.

Und die für mich wichtigste Regel, die ich bei diesem Flug gelernt habe war:

Fliege niemals in eine Richtung, wo der Horizont nicht mehr erkennbar ist und nicht zu erkennen ist, was sich dahinter verbirgt.

Sofern die Möglichkeit besteht, mit einem Fluglehrer bei diesen extremen Schlechtwetterbedingungen einmal in die Lüfte zu steigen, kann ich es nur empfehlen. Es nimmt die Angst dann tatsächlich in solch einer Situation überrascht zu werden die unter Unständen ein Fehlverhalten auslöst.


Liebe Grüße
Robin
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Martin
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BeitragVerfasst am: Mi, 07 Apr 2004, 13:34    Titel: Antworten mit Zitat

Ein interessanter Bericht jedenfalls!

Es gibt viele Leute (tote Leute), die ihre Fähigkeiten überschätzt haben. Ich denke, es ist nicht einfach "zu wissen", dass man jemandem vertrauen kann. Der Grat zwischen Mut und Selbstüberschätzung ist bei solchen Vorhaben sicher nicht sehr breit.

Aber ohne Zweifel: ich glaube dir, dass man mit einem erfahrenen Führer in der Nähe von Grenzbereichen sehr viel lernen kann. Und keine Theorie kann das ersetzen. Ich selber stelle mir zu solchen Situationen immer die Frage: hatte ich (oder hatten wir) die Situation jederzeit noch unter Kontrolle oder war da auch einfach nur Glück im Spiel? Wenn ich mir letzteres eingestehen muß, weiss ich, dass ich einen Fehler gemacht habe.

Gruß
Martin
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Robin
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BeitragVerfasst am: Do, 08 Apr 2004, 3:18    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin,

vollkommen richtig! Stimme Dir absolut in allen Punkten zu.

Nein, wir sind natürlich nicht bei einer Wetterlage gestartet, die nicht erlaubt hätte, sicher zu fliegen oder uns dabei zu gefährden. Flugwetterdaten haben wir uns umfangreich eingeholt, Flugwetterberatung durchgeführt.

Der Flug war rechtlich gesehen und entsprechend der Wetterlage auch somit durchführbar. Wir hatten ja weder Nebel noch die drohende Vereisung, Sichtweiten, die nicht unter 1,5 km gingen und eine Bewölkung, die nicht unter 500 Fuss zum Bezugspunkt lag. Im Grunde hatten wir, wie beschrieben, abwechselnd die Wetterlage "Delta" und "Mike". Eine Hintertür zum landen hatten wir eingeplant, sofern die Windgeschwindigkeit zugenommen hätte. Die Landung wäre dann einfach auf einer querabliegenden Wiesenpiste gegen den Wind durchgeführt worden.

Ich selbst wäre auch alleine bei diesem Wetter nicht gestartet, weil ich es vor allem noch nicht in dieser Form während einem Flug erlebt habe. Dies ist natürlich klar, wenn man eigentlich nur "Charlie" und "Oscar" verwöhnt ist.

Aber darum ging es bei diesem Flug: Eben die Situationen bei solch einer Wetterlage "Delta" und "Mike" in der Luft kennen zu lernen und dabei Handlungsmöglichkeiten zu erlernen. Es soll hier auch nicht der Eindruck entstehen, dass wir einfach mit Leichtsinn oder auf gut Glück, in solch eine Wettersituation gestartet sind. Solches Verhalten ist mehr als unverantwortlich.

Bei der Ausbildung zum "alten" PPL (A) ist einer der Ausbildungspunkte: "Fliegen bei schlechtem Wetter und eingeschränkten Flugsichten", soviel ich mich erinnern kann. Bei mir war das damals leichter Regenschauer mit Sichtweiten, die weit über 10 km lagen. Für mich war das damals nicht unbedingt eine besondere hilfreiche Erfahrung.

Diese Erfahrungen konnte ich jedoch bei dem beschrieben Flug nun endlich einmal sammeln.

Wenn man sich tatsächlich in solch einer Wettersituation befindet, seine geplante Navigation im Grunde vergessen kann und nun zusehen muss, wie man nun am besten und sichersten fliegt. Wie diese Wolken in der Luft aussehen, wie der Regen verschieden auf den Boden fällt, im Headset das Störgeräusch von einer Entladung hört (isoliertes Gewitter), welche Flugrouten noch möglich sind und welche nicht mehr und auf keinen Fall gewählt werden sollen und welche Flugsichten dabei noch bestehen. Auch bereit zu sein, eine rechtzeitige Sicherheitslandung einzuplanen, wenn dann tatsächlich ein Weiterflug und Rückflug nicht mehr möglich sein sollte.

Den gesamten Flug, den wir durchgeführt haben, bewerte ich als absolut sicher durchgeführt. Zu keiner Zeit haben wir andere Flugverkehrsteilnehmer oder uns selbst gefährdet und die gesetzlichen Vorgaben für einen sichereren Flugbetrieb eingehalten.

Es war lediglich die Herausforderung, die entsprechende Wege und Mittel hierfür herauszufinden und diese umzusetzen. Alleine die bestehende Wetterlage, hat dies uns ja auch erlaubt. Sie durfte für unser Vorhaben schwierig und teilweise kritisch sein, da wir diesen Flug so geplant und uns vorab ausreichend damit befasst haben. Ansonsten wäre unser Verhalten sicherlich mehr als grob fahrlässig gewesen und ich würde mich mehr als nur dafür schämen.


Liebe Grüße
Robin
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Martin
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Beiträge: 24
Ort: München

BeitragVerfasst am: Do, 08 Apr 2004, 8:02    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Robin

Eine kurze Geschichte, die ich selbst erlebt habe. Bei einem der ersten Flüge nach meiner Ausbildung bin ich in eine Situation mit extrem schlechten Sichtbedingungen geraten. Es war ein Schock, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass das so schnell gehen kann!

Was ist mir dabei durch den Kopf geschossen? Nicht die Videos, die ich über Schlecht-Wetter-Flüge gesehen hatte und nicht, was ich darüber gelesen hatte. Nein, es war viel mehr eine Erfahrung aus meiner Ausbildung: ich war mit meinem Fluglehrer bei schlechten Sichtbedingungen unterwegs gewesen und er hatte mich freundlich darauf aufmerksam gemacht, dass ich gerade dabei sei, einen kontrollierten Absturz durchzuführen! Weil ich den Horizont nicht in Sicht hatte und mich in dieser Situation von meinem Gefühl leiten lies (wenn überhaupt von etwas...)

Also hatte ich nun, in der Situation nach meiner Ausbildung, trotz "Schock" die richtige Reaktion: keine Panik und als erstes: "das Flugzeug fliegen!".

Es war mir eine Lehre. Und es hat auch mir gezeigt, dass man üben muß - nicht nur unter Idealbedingungen.

Schönen Gruß
Martin
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Robin
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BeitragVerfasst am: Sa, 10 Apr 2004, 3:58    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Martin,

...genau, zuerst einmal das Flugzeug fliegen. Dann sich um andere Dinge bemühen. Man kann der best ausgebildete Pilot sein aber dies hilft nicht, wenn das Flugzeug nicht mehr unter Kontrolle ist.

Und Deine Erfahrung musste ich in ähnlicher Weise bei einer meiner ersten Alleinflüge machen, zwar nicht so extrem wie Du, jedoch so, dass ich erkannt habe, wie wichtig doch bestimmte Instrumente in einem Flugzeug sind und wie schnell man sich auf diese verlässt, ohne es zu merken und es vor allem erwartet, dass diese zu jeder Zeit fehlerfrei und korrekt arbeiten.

Das dies nicht immer so ist und man grundsätzlich seine persönliche Einschätzung und Angaben der Flugüberwachungsinstrumente abgleichen sollte, habe ich dabei sehr schnell gelernt. Grundsätzlich gilt für mich erst einmal, die Flugüberwachungsinstrumente habe Recht, bis ich durch Prüfung das Gegenteil bewiesen habe.

Hier mein Erlebnis als damilger Flugschüler und im Alleinflug (Auszug aus Taschenbuch, Vorabdruck):

[...]

Wie gewohnt, überfliege ich wieder einmal mit meinen Augen alle wichtigen Instrumente im Panel vor mir. Vor allem den Geschwindigkeitsmesser, den künstlichen Horizont, den Höhenmesser und den Kreiselkompass. Eigentlich nichts ungewöhnliches aber dieses mal stimmt etwas nicht beim Ablesen der mir angezeigten Daten! Mein Blick springt auf den künstlichen Horizont zurück und wundere mich dabei, dass ich scheinbar eine schräge Fluglage eingenommen habe, also mich um die Längsachse des Flugzeugs um ca. 20 Grad nach links gedreht habe. Mein Sinnesorgan im Ohr sagt mir jedoch, ich fliege nach meinem persönlichem Gefühl horizontal und eben keine Linkskurve. Hier stimmt doch etwas nicht! Nun, wie gelernt, sind erst einmal die Angaben der Instrumente richtig und ich irre mich. Was ich selbst fühle und glaube, ist in diesem Moment erst einmal sekundär. Denn das Gleichgewichtsorgan eines Menschen kann gerade während eines Fluges, zu Verwirrungen führen und einem einen bitterbösen Streich spielen, was im Extremfall auch zu schwerwiegenden Folgen für den zukünftigen Flugverlauf führen kann. So entscheide ich mich, diese Gegensätzlichkeit systematisch zu lösen und dabei Ruhe zu bewahren. Ich schaue auf den Kreiselkompass, der fest und ohne Bewegungen meinen Kurs anzeigt. Somit steht eigentlich schon fast fest, dass ich keine Linkskurve fliege und der künstliche Horizont falsche Angaben liefert. Wenn die Angaben des künstlichen Horizonts korrekt sind, müsste sich ja auch meine Kursangabe verändern, was aber nicht geschieht. Trotzdem kann ich nicht ausschließen, dass der Zufall es in diesem Moment so will, dass der künstliche Horizont doch korrekt anzeigt und mein Kreiselkompass ausgefallen ist. Also entscheide ich mich einfach, die horizontale Fluglage entsprechend des künstlichen Horizonts einzunehmen und nach dieser Anzeige zu fliegen. Nachdem ich nur wenig das Steuerhorn nach rechts bewegt habe, spüre ich umgehend, wie ich eine Rechtskurve einleite und der Kreiselkompass sich beginnt nach links zu bewegen und mir neue Steuerkurse anzeigt. Die linke Tragfläche zeigt nach meiner Beurteilung eindeutig nach oben und die rechte Tragfläche nach unten. Der künstliche Horizont zeigt mir nun an, dass ich angeblich perfekt horizontal fliege! "Wer's glaubt!", sage ich laut und muss in diesem Moment sogar grinsen, weil es doch unmöglich sein kann, dass diese doch nun ungewöhnlichen vielen und unvorhergesehenen Ereignisse bei mir als Flugschüler stattfinden. Erst das Problem mit dem Funkkontakt und nun noch ein defekter künstlicher Horizont im Panel? Kaum zu glauben aber eine nun bewiesene Tatsache. Der künstliche Horizont zeigt mir falsche Angaben. Ich überlege kurz und entscheide mich den Kalibrierungsknopf am künstlichen Horizont zu ziehen, den ich bis dato noch nie genutzt habe und mir dabei auffällt, dass es mir auch nicht einmal Anja gezeigt hat, wie das richtig gemacht wird. Na ja, was soll maximal passieren?, frage ich mich in Gedanken, wenn ich diesen Knopf ziehen werde. Es steht ja nicht darauf geschrieben "don't touch me", sondern "pull". Also ziehe ich den Knopf kurz heraus und lasse diesen wieder umgehend los. Ups! Ach du lieber Himmel! Was habe ich denn jetzt gemacht? Der künstliche Horizont zeigt mir nun an, dass ich angeblich auf dem Rücken fliege! Na klasse! Vor kurzem konnte ich ja noch mit der falschen Anzeige arbeiten aber jetzt ist alles vorbei! So kann ich dieses Instrument wirklich nicht mehr sinnvoll verwenden. Ich bin verwirrt und ärgere mich, dass ich die Situation nun sogar noch verschlimmert habe. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass ich ja noch in 3500 Fuß Höhe fliege und mich mit 110 Knoten durch die Luft bewege und noch andere Dinge zu tun habe als einen künstlichen Horizont neu zu kalibrieren. Vor allem, wenn man nicht mal genau weis, wie das richtig gemacht wird. Also konzentriere ich mich erst mal wieder auf den Flugverlauf, fliege nach meiner Sicht auf den Boden und dem tatsächlichen Horizont, horizontal und nehme meinen alten Kurs auf. Vor allem gleiche ich erst einmal schnell auf der Flugkarte ab, wo ich mich jetzt befinde bevor ich endgültig die Orientierung verliere. Das fehlte mir jetzt noch. Darauf kann ich jetzt wirklich verzichten. Genug neues erlebt! Nachdem ich mir im klaren bin, wo ich mich zur Zeit mit dem Flugzeug befinde, denke ich darüber nach, was es für einen Sinn macht, einen Kalibrierungsknopf zu installieren, der nicht richtig funktioniert. Irgend etwas habe ich doch sicherlich falsch gemacht. Vielleicht sollte ich mal diesen Knopf länger herausziehen und einfach festhalten und abwarten was passiert. Ich ziehe also erneut den Kalibrierungsknopf und halte ihn fest gezogen in der Hand um zu sehen, was nun geschähen wird. Der künstliche Horizont beginnt sich in alle Richtungen zu drehen und beginnt regelrecht hinter der Glasscheibe zu tanzen. Oh weh!, denke ich mir. Jetzt gebe ich dem Teil sicher den Rest. Nach defekt kommt sicher ganz kaputt. Auf einmal höre ich ein lautes und metallisches Geräusch und der künstliche Horizont rastet ein. Dieses mal bekomme ich nun die richtige Fluglage angezeigt und lasse den Knopf wieder los. Also das war mein Fehler! Ich habe den Knopf einfach nur zu kurz gezogen! Der künstliche Horizont ist überhaupt nicht defekt, wie peinlich, das erzähle ich lieber niemanden...


...Fünf Minuten später entdecke ich, dass der künstliche Horizont wieder einmal anzeigt, ich fliege gerade mit einer falschen Fluglage. Ja, ja – das hatten wir ja schon. Also doch defekt und ich erzähle es doch Jörg nachher, dass der künstliche Horizont in die Reparatur muss.

Bis zur Landung auf meinem Heimatflugplatz musste ich die Anzeige dann noch weitere Fünf mal neu kalibrieren. Vielleicht ist es verwunderlich, dass man sich über einen künstlichen Horizont, der einen Defekt aufweist, so auslassen kann. Tatsache ist aber, dass der künstliche Horizont ein für mich sehr wichtiges Instrument nach diesem Erlebnis geworden ist. Dieser Vorfall hat in mir auch ein sehr unangenehmes Gefühl ausgelöst. Vor allem wurde mir dabei schlagartig klar, wie ich mich unbewusst und es ohne zu merken, an dieses Anzeigeinstrument gewöhnt hatte. Ohne dieses Instrument zu fliegen ist zwar möglich aber nicht ganz gefahrlos. Spätestens wenn man ungewollt in Wolken einfliegt und die Sicht zum Boden verliert, kann dieses Instrument zum Lebensretter werden. Im nachhinein war ich also froh, dass mir dies während einem Flug bei sehr guten Sichten passiert ist und vor allem schon während meiner Zeit als Flugschüler.

[...]

Liebe Grüße
Robin
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